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Wenn der Rollstuhlfahrer seinen Platz im überfüllten Tram erbetteln muss

Christine Huber, Gemeinderätin, GLP
Christine Huber, Gemeinderätin, GLP Bild: zvg
Es muss noch einiges gehen diesbezüglich.

In der Stadt Zürich bin ich ausschliesslich mit Bus und Tram unterwegs und beobachte dabei regel­mässig, wie es für Menschen mit Behinderung nicht immer einfach ist, im öffentlichen Verkehr zu reisen. Mitunter muss der Rollstuhlfahrer seinen Platz im überfüllten Tram regelrecht erbetteln, oder der jungen Frau, die mit dem Blindenstock unterwegs ist, macht niemand einen Sitzplatz frei. Noch schwieriger ist die Situation für Personen mit «unsichtbaren Behinderungen», die etwa eine psychische Behinderung oder eine kaum erkennbare fehlgebildete Hand haben. Für viele Menschen mit Behinderung ist es nicht nur eine Herausforderung, ob sie einen Sitzplatz bekommen im Tram, sondern auch, ob sie überhaupt ins Tram reinkommen. Längst nicht jedes Tram ist rollstuhlgängig. Die Verkehrsbetriebe der Stadt Zürich (VBZ) haben im Mai 2024 das «Inklusionstram» lanciert. Mit diesem Tram möchten sie das Verständnis und die Rücksichtnahme zwischen Menschen mit Behinderung und Menschen ohne Behinderung fördern.

Mit einem QR-Code kann der Fahrgast im «Inklusionstram» zu jedem Plakat noch weitere Informationen über die jeweilige Behinderung erfahren und nachlesen, welche Auswirkungen sie für Betroffene im öffentlichen Verkehr hat. Es muss aber noch einiges gehen diesbezüglich: Die Schweiz hat im April 2014 die UNO-Behindertenrechtskonvention (BRK) ratifiziert. Während die offizielle Schweiz der Ansicht ist, dass sie die BRK schon weitgehend erfüllt, stellen Menschen mit Behinderung auch in Zürich immer wieder fest, dass noch viel Nachholbedarf besteht.Sichtbar wird dies etwa bei der Modernisierung der Tramhaltestelle «Bahnhofquai». Erst durch das Umbauprojekt, das wir demnächst im Gemeinderat behandeln, könnte die Tramhaltestelle wirklich hindernisfrei werden. Das Projekt ist umstritten. Skeptikerinnen und Skeptikern rate ich, einmal mit dem «Inklusionstram» mitzufahren. Es verkehrt noch bis Ende November auf dem gesamten ÖV-Netz der Stadt Zürich.

Und auch von den VBZ wünsche ich mir mehr Rücksichtnahme. Zwar kommen Menschen mit und ohne Behinderung seit diesem Sommer nun auch am Wochenende wieder zuverlässig an ihr Ziel im Kreis 9 – dies, nachdem auch auf Druck von mehreren politischen Vorstössen von mir der Tram- und der Busverkehr rund um Fussballspiele im Letzigrund nicht länger flächendeckend eingestellt worden sind. Und doch ist die Reisezeit für jenen Teil der Quartierbevölkerung, die auf einen Rollstuhl angewiesen ist, immer noch übermässig lang. Auf der Tramlinie 3 nach Albisrieden hat auch im Jahr 2024 noch fast jedes zweite Tram Stufen – dies notabene auf einer Linie, entlang der es nach wie vor Haltestellen ohne Abfahrtsanzeiger hat, auf denen ein Rollstuhlsymbol anzeigen könnte, wann endlich das nächste stufenfreie Fahrzeuge einfährt. Hier müsssen die VBZ doppelt nachrüsten.

In der Rubrik «Aus dem Gemeinderat» schreiben Volksvertreterinnen und -vertreter regelmässig einen Beitrag. Alle im Stadtparlament vertretenen Parteien bekommen hierzu regelmässig Gelegenheit. Die Schreibenden ­äussern im Beitrag ihre persönliche Meinung.

Christine Huber