Seit Mitte Mai bin ich im Gemeinderat und durfte viele Diskussionen mitverfolgen. Diese reichten von sachlichen und schnell behandelten Geschäften bis hin zu emotionalen und aufwühlenden Auseinandersetzungen, die sich über eine längere Zeit hinzogen. Man sitzt im grossen Ratssaal und hört nun nicht mehr über die Medien von den Ereignissen, sondern erlebt sie live mit, ist gar ein Teil davon.
Die Auseinandersetzungen scheinen für alle Beteiligten anstrengend zu sein und sorgen das eine oder andere Mal für rote Köpfe. So manche mögen sich fragen was das alles eigentlich genau soll. Ist unsere Politik kaputt oder sind es einfach Spannungen, die natürlicherweise entstehen, wenn Menschen mit unterschiedlichen Meinungen aufeinandertreffen? Diese Frage habe ich mir schon das eine oder andere Mal gestellt.
Nun sitze ich am Sonntagabend an meinen Computer und schreibe diese Kolumne. Zuvor bin ich an der Konekta des Jugendverbandes Cevi Schweiz gewesen. Ein Vernetzungsanlass, der zum ersten Mal stattfand und drei Tage dauerte. Es kamen Leiterinnen und Leiter aus der ganzen Schweiz zusammen. Sie arbeiteten gemeinsam an Strategien, Plänen und Haltungen zur Cevi-Arbeit.
Gekrönt wurde der Anlass von einer Delegiertenkonferenz, an der verschiedene Motionen behandelt und der neue Vorstand des Cevi Schweiz gewählt wurde. Wenn ich daran zurückdenke, muss ich schmunzeln. Es war Politik vom Feinsten, mit jungen Menschen, die keine Politikerinnen oder Politiker sind. Die Emotionen hielten sich zwar in Grenzen, aber man konnte die Anspannung in der Menge und bei den Delegierten spüren.
Das Fazit eines Delegierten war: «Nie wieder stelle ich mich als Delegierter.» Was war da nur passiert? Es kamen Menschen mit unterschiedlichen Meinungen und Haltungen zusammen. Sie wollten die aus ihrer Sicht beste Lösung für die Gesellschaft erzielen. Auch wenn sie nicht genau wussten, wie diese beste Lösung wirklich aussieht. Dies führt zu einem grossen Druck, der sich auch emotional entladen kann. Politik ist anstrengend und erfordert viel Energie, denn die Gesellschaft und die Meinungen sind extrem divers. Diese Diversität zeigt sich glücklicherweise auch in unserem politischen System.
Ist unsere Politik also kaputt? Ich denke definitiv nicht. Für ein angenehmeres Klima und eine konstruktivere Debatte im Rat wäre es sicher gut, wenn sich die eine oder andere Person etwas wertschätzender und achtsamer äussern würde. Doch wir alle sind Menschen, haben unterschiedliche Meinungen und versuchen, die besten Lösungen für die Gesellschaft zu erzielen. Auch wenn wir nicht immer wissen, wie die beste Lösung tatsächlich aussieht.