Vor kurzem ging es im Gemeinderat um die Frage, ob die Stadt Zürich auf die Unterbringung von geflüchteten Menschen in unterirdischen Zivilschutzanlagen verzichten und stattdessen oberirdische Alternativen prüfen soll. Die Forderung zielt darauf ab, menschenwürdige Bedingungen für alle zu schaffen, die hier leben. Auslöser für die Diskussion war die Eröffnung einer Asylunterkunft in einer Zivilschutzanlage an der Turnerstrasse Ende 2023. Die Debatte, die folgte, liess mich bestürzt zurück.
Dass die SVP die Unterbringung von geflüchteten Menschen in unterirdischen Anlagen nicht problematisch findet, überraschte nicht. Diese Partei befürwortet auch die Errichtung von Asylunterkünften an abgelegensten alpinen Orten – weit weg von jeder Integration und Teilhabe. Die Botschaft ist klar: «Ihr seid hier nicht willkommen». Dass aber unterirdische Unterkünfte bis in die politische Mitte als legitime Praxis angesehen wird, hat mich befremdet. Die Mitte argumentierte: Man wünsche sich solche Zustände natürlich nicht, aber die einzige Alternative sei «das Leben unter der Brücke». Was als pragmatischer Weg verkauft wird, zeugt von einer zutiefst zynischen Haltung. Die Mitte, die sich sonst gerne auf Nächstenliebe beruft, akzeptiert Bedingungen, die jeder Vorstellung von Menschlichkeit widersprechen. Es scheint fast, als hätten sie mit dem Namenswechsel nicht nur symbolisch ihr «C» verloren.
Solche unterirdischen Unterkünfte sind eine gravierende Einschränkung der Menschenwürde und stehen in einem krassen Widerspruch zu unseren humanitären Werten. Es gibt kein Tageslicht, keine Rückzugsmöglichkeiten, keine Privatsphäre. Diese Bedingungen sind unmenschlich und retraumatisieren Geflüchtete, die bereits unvorstellbares Leid erlebt haben. Das ist auch das Fazit der Nationalen Kommission zur Verhütung von Folter. Besonders Kinder und vulnerable Personen dürfen niemals an solchen Orten untergebracht werden – das ist jedoch der Fall an der Turnerstrasse. Für mich ist klar: Unterirdische Unterkünfte sind nie eine Lösung, sondern eine Kapitulation vor den Herausforderungen einer menschenwürdigen Integrationspolitik. Wir haben in Zürich die Mittel und die Verantwortung, bessere Lösungen zu finden. Das haben wir in vielen Fällen auch bewiesen. Zwischennutzungen von leer stehenden Gebäuden, Umnutzung städtischer Liegenschaften oder Containerlösungen haben sich in anderen Kontexten bewährt. Das muss auch in angespannten Situationen unser Ansatz sein – ja, das bedingt Anstrengungen, aber das sind wir schutzbedürftigen Menschen schuldig.
Die Unterkunft an der Turnerstrasse wird 2025 geschlossen, da die Asylzahlen gesunken sind. Ich befürchte aber, es war nicht das letzte Mal, dass wir über diese Unterbringungsform diskutieren mussten. Darum appelliere ich an meine Ratskolleg/-innen, sich bis dahin wieder auf ihren moralischen Kompass zu besinnen, wenn es um die Frage geht, was für eine Stadt wir für schutzbedürftige Menschen sein wollen.