Lassen Sie es mich frei nach Heinrich Böll gleich vorwegnehmen: Kunst muss weit gehen, um herauszufinden, wie weit sie gehen darf. Und gleichsam sind wir uns einig: Die Grenzen der Kunstfreiheit werden – wie die Meinungsfreiheit in der politischen und öffentlichen Debatte – da überschritten, wo universale Grundrechte von Menschen verletzt werden und wo ein spezifischer Kreis von Menschen zu Hass und Gewalt gegenüber anderen Menschen aufruft. Das klingt jetzt einigermassen einfach, zumal sich die gewählten Parlamentarier:innen im Zürcher Gemeinderat diesem Grundsatz fraglos verpflichtet fühlen.
Nun hat die Rote Fabrik mit dem Auftritt von Ramsis Kilani und die Zentralwäscherei im Kreis 5 mit dem Samidoun-Sprecher Mohammed Khatibin in jüngster Vergangenheit Plattform geboten für diskriminierende Aufrufe und auf parlamentarischer Ebene eine Debatte in Gang gesetzt, die uns alle dazu einlädt, Fehlleistungen, künstlerische Programmfreiheit und den Auftrag öffentlicher Kulturförderung kritisch zu reflektieren. Ein überparteilicher Vorstoss fordert den Stadtrat dazu auf, Massnahmen zu prüfen, wie antisemitische oder gewaltverherrlichende Veranstaltungen in städtisch subventionierten Kulturbetrieben keine Bühne erhalten sollen. Das ist richtig so – ein Anliegen, das die SP-Fraktion fraglos unterstützt.
Zürich ist vielfältig, und unsere Stadtregierung setzt sich für eine diskriminierungsfreie und inklusive Stadt ein. Diese Haltung gilt auch für öffentliche und kulturelle Institutionen, die von der Stadt Zürich finanziell unterstützt werden und deren künstlerische Programmfreiheit in den Subventionsvereinbarungen gewährleistet bleibt. Antisemitische, rassistische, gewaltverherrlichende, sexistische, trans- oder homophobe Äusserungen oder Handlungen haben im öffentlichen Raum ebenso wie an Veranstaltungen von Kultureinrichtungen in der Stadt Zürich keinen Platz. Ob die im Postulat geforderten Massnahmen in einer simplen Androhung von möglichen Kürzungen oder einer Rückforderung öffentlicher Subventionen die erwünschte präventive Wirkung entfalten würden, bleibt dabei fraglich. Wünschenswert und zielführend ist aus meiner Sicht zweifellos eine breite Debatte.
Der Kulturbetrieb ist keine Agentur für Öffentlichkeitsarbeit, auch wenn er sich mitunter gerne als solche gibt. Kunst ist nicht per se links oder per se rechts, eindeutig mainstream oder eindeutig elitär. Und Kunst hat nicht zwingend politische Statements oder ethische Forderungen, die sie bekenntnishaft in die Welt hinaustragen muss. Triebfeder der Kunst ist Auseinandersetzung und (in ihrer Vieldeutigkeit) immer so vieles mehr – für Kunstschaffende, das Publikum und die Öffentlichkeit in weitestem Sinne. Im Idealfall schafft sie Inspiration und Reibung, öffnet mit Empathie neue Perspektiven im Dasein und setzt mit Paukenschlägen neue Akzente in öffentlichen Diskursen.