Neu bei dieser geschichtsträchtigen Institution ist seit August Mirjam Brassel. Kaum jemand würde hinter dieser zierlichen, charmanten und lebhaften Person die Direktorin von der Fachschule für Mode und Gestaltung Modeco im Zürcher Seefeld vermuten, einer Schule mit insgesamt 520 Lernenden und Studierenden.
Ihre Berufsausbildung ist genauso facettenreich, wie es die Mode ist. 1992 bis 1996 absolvierte Mirjam Brassel das Sportstudium an der ETH Zürich. Nebenbei tat sie sich als Sprinterin und Siebenkämpferin hervor. 1998 bis 2000 studierte sie an der Universität Zürich und von 2001 bis 2004 an der Universität St. Gallen Rechtswissenschaften.
Zu ihren Berufserfahrungen gehören: Markenanwältin in einem Patentanwaltsbüro, allgemeine Rechtsberatung als selbstständige Rechtsanwältin, dann als Stiftungsrätin für eine Stiftung, die Lernende unterstützt.
Sportunterricht
Sportunterricht und Allgemein-Fächer
Als Sportlehrerin wurde sie angefragt, ob sie als Lehrperson für den Unterricht «Allgemeinbildung» tätig sein wolle. So hatte Brassel von einem Tag auf den anderen angefangen, Allgemeinwissen weiterzugeben. «Das Schöne an dieser Aufgabe war, dass man die Schüler durchs Leben führen und ihnen die gesellschaftlichen Aspekte zeigen kann. Man bringt ihnen Kunst und Kultur näher, indem man sie in Oper- und Theateraufführungen oder Ausstellungen mitnimmt», erzählt sie voller Begeisterung. «Die schönste Kombination war, sie gleichzeitig auch im Sport zu unterrichten. Da begegnet man sich auf einer ganz anderen Ebene», fährt sie fort.
Schliesslich arbeitete Brassel während 6½ Jahre (2018 bis 2024) als leitende Fachschulperson an der Baugewerblichen Berufsschule. «Ich durfte in dieser Stellung viel Berufserfahrung sammeln. Und da kam Corona – eine Zeit, die mich sehr wachsen liess», erzählt sie. «Es entstand während dieser unsäglichen Zeit viel Unsicherheit bei allen Lehrpersonen. Und als ich in meiner exponierten Position zu wenig Rückhalt bekam, wurde mir klar, dass ich nicht mehr an dieser Schule bleiben konnte», erklärt sie.
Ein gutes Gefühl
«Zum Glück hatte ich vom frei werdenden Posten der Direktorin von Modeco erfahren und mich darum beworben. Ich spürte sofort, dass das etwas für mich ist», so Brassel. Und jetzt habe sie die Gesamtverantwortung für die Schule. Sie sei zuständig für die Organisation, den Betrieb, die Finanzen und für alle Belange des Personals.
Diese Zeitung wollte wissen, warum sie schliesslich die Modebranche gewählt habe. «Die Textilindustrie in der Stadt Zürich war und ist aus unserer Kultur nicht wegzudenken, und so habe ich die Möglichkeit, dies für die Jugend weiter zu fördern. Ich möchte das Konsumverhalten allgemein verändern. Es kann doch nicht sein, dass ein Kleidungsstück als Verbrauchsgegenstand wahrgenommen wird. Wir müssen diese Einstellung überdenken, uns von ‹fast fashion› distanzieren und zu ‹slow fashion› hinwenden», sagte Brassel. Ihrer Meinung nach sei jedoch die Talsohle bereits erreicht und es entstehe langsam wieder ein nachhaltiges Bewusstsein. Doch leider reiche das Bewusstsein des Verbrauchers nicht – der Produzent müsse davon überzeugt werden. Aber sie glaube fest an eine Gesamtbewegung der Gesellschaft, die sich zum Guten verändern werde.
Ziele erarbeiten
«Ich habe für und mit unserer Modefachschule viel vor. Verraten werde ich die Ziele jedoch erst, wenn sie ausgereift sind», meinte Mirjam Brassel mit einem Funkeln in den Augen. Inzwischen wird an der Modeco weiter gelehrt und gelernt. Es existieren drei verschiedene Lernorte unter einem Dach: die Berufsschule, die einmal pro Woche besucht wird. Der Rest der Woche ist für die betriebliche Ausbildung in den Ateliers vorgesehen. Weiter gibt es noch die fünf ÜK (überbetrieblichen Kurse), die in der Verantwortung des Verbands IBBG Interessengemeinschaft Berufsbildung Bekleidungsgestalter sind und verteilt über die drei Lehrjahre während der Schulferien stattfinden.
Vielfältige Ausbildungsstätte
Die seit 135 Jahren bestehende schweizerische Fachschule für Mode und Gestaltung bietet eine dreijährige Ausbildung als Bekleidungsgestalter mit EFZ (eidgenössischen Fähigkeitszeugnis) an. Sie vermittelt den Lernenden die Voraussetzungen, kreative Ideen in tragbare Mode umzusetzen. Es werden keine Designerinnen oder Designer ausgebildet. Falls jedoch die Kundschaft ein spezielles Design wünscht, wird dies selbstverständlich hausintern kreiert. Als Einstieg gibt es ein modisch-gestalterisches Berufsausbildungsjahr, welches für alle gedacht ist, die sich mit den Bereichen Mode, Gestaltung und Zeichnen auseinandersetzen möchten.
Nach Mirjam Brassel ist die Königsdisziplin der Modeco die Weiterbildung als Theaterschneider für bereits ausgebildete Bekleidungsgestalter. Diese Ausbildung dauert ein Jahr und vermittelt die Anfertigung von Kostümen für Theater, Oper, Film und Fernsehen.
Einen wichtigen Teil der Aufgaben des Theaterschneiders machen die Kostüme für das Sechseläuten aus. «Die historischen Gewänder der Zünfter müssen oft geändert, repariert oder ausgelassen werden», meinte sie schmunzelnd. «Oder sie haben ausgedient und müssen ersetzt werden», schliesst Brassel.
Diese Zeitung durfte einen Blick in eines der Ateliers werfen, dem Atelier 113, das unter der Leitung von Anna Trossbach und Andrea Meier steht. In diesem Atelier wird für Damen und Herren geschneidert. Anna Trossbach ist momentan mit der Massanfertigung eines Anzugs für einen jungen Stammkunden beschäftigt. «Er ist 2 Meter gross und sehr muskulös, somit hat er keine alltäglichen Masse. Bei uns wird er massgeschneidert eingekleidet», meint Anna Trossbach. Sie habe übrigens die Trendfarbe für 2024 vorausgesagt. «Es ist ‹peach fuzz› (Pfirsichflaum)», erwähnt sie nicht ohne Stolz.
Umfeld verändert sich
Das Umfeld der Textilbranche verändert sich unter anderem dank Social Media inzwischen rasant. Davon ist auch die Modeco als Ausbildungsstätte betroffen. «Doch Qualität und fundierte Kenntnisse der Technik und des Handwerks in der Kleiderverarbeitung zeigen Lücken, welche die Modeco auch in Zukunft ausfüllen kann und damit sicher die jungen Menschen auch weiterhin für die Welt der Bekleidungsgestaltung begeistern wird», schliesst die Direktorin der Schule.
Modeco, Kreuzstrasse 68, 8008 Zürich,
043 268 80 80, www.modeco.ch,
E-Mail: contact@modeco.ch