Karin Steiner
Im Hinterhof der Wohn- und Arbeitsgemeinschaft Suneboge hat sich eine lange Schlange gebildet. Wie jeden Montagnachmittag steht die mobile Tierarztpraxis des Sozialwerks Pfarrer Sieber im Garten, und Tierärztin Igna Woytena untersucht, behandelt und impft im Inneren ein Tier nach dem anderen.
Der grösste Teil der Leute ist jedoch gekommen, um Futter und anderes Zubehör für ihre Lieblinge zu beziehen. «Wöchentlich kommen über 80 Menschen zu uns», sagt Mirjam Spring, die den Gassentierarzt in Zürich vor 20 Jahren ins Leben gerufen hat. «Es ist ein niederschwelliger Bereich der Gassenarbeit. Das Tier ist die Tür zum Menschen. Über den Hund oder die Katze komme ich in Kontakt zu den Besitzern. Hilft man dem Tier, lassen sich die Menschen auch eher helfen.»
30 Jahre bei Pfarrer Sieber
Einen grossen Teil der Anwesenden kennt Mirjam Spring von der Gassenarbeit her, arbeitet sie doch schon seit 30 Jahren bei den Sieber-Werken. 1996 besuchte sie als Praktikantin die Berliner Gassenarbeit und lernte dort ein Gassentierarzt-Mobil kennen, welches Impfungen durchführte. Seitdem liess sie die Idee nicht mehr los, ein solches Angebot auch in Zürich auf die Beine zu stellen.
Als sich 2004 der Tierarzt Dr. Thomas Peyer bei Pfarrer Sieber meldete, der Freiwilligenarbeit im Pfuusbus leisten wollte und sich nach einem Telefon auch für die Gassentierarzt-Idee begeistern konnte, startete sie mit ihm zusammen. Von anfangs einmal pro Monat konnte innerhalb eines halben Jahres auf einmal wöchentlich aufgestockt werden.
Die Nachfrage war von Anfang an da. Grosse Unterstützung bekamen die beiden unter anderem von der Susy Utzinger Stiftung. Durch Spenden konnte das Projekt gut finanziert werden. Später kam auch noch die Tiertafel dazu. Hier spenden vor allem Futtermittelfirmen Restposten oder analog der Tafel für Menschen wird Futter, das im Detailhandel nicht verkauft wurde, weitergegeben. «Im Tierarztmobil wird hauptsächlich untersucht, geimpft und werden kleinere Behandlungen durchgeführt», erklärt Mirjam Spring. «Notwendige Operationen werden am Dienstag bei Igna Woytena in der Praxis durchgeführt.» Aus Geldspenden werden die Medikamente und Laborkosten finanziert sowie die Löhne von Mirjam Spring und der Tierärztin Igna Woytena.
Futter für Hund und Katze
Das Haustier ist oft der einzige Partner von Menschen, die aus irgendeinem Grund in die Armut abgeglitten sind. «Die Leute sorgen sich meist mehr um ihre Vierbeiner als um sich selber», sagt Mirjam Spring. So nehmen sie die langen Wartezeiten gerne in Kauf, um Futter und vielleicht auch eine kleine Leckerei für ihre Lieblinge zu bekommen.
Um vom Gassentierarzt profitieren zu können, muss man sich ausweisen können, dass man armutsbetroffen ist. Das Futter und andere Gegenstände des täglichen Bedarfs wie Leinen, Halsbänder oder Kauartikel werden meist von Grossverteilern gespendet. Es gibt aber auch Privatpersonen, die nicht mehr gebrauchte Gegenstände und Futter abliefern. «Eine Frau bringt uns regelmässig ganze Schachteln Katzenfutter, die sie bei Aktionen einkauft.» Für das Futter müssen die Tierhaltenden nichts bezahlen, aber beim Tierarzt müssen sie sich mit einem Beitrag an den Kosten beteiligen. Der Rest wird aus Spenden bezahlt, ebenso ein Gehalt an Mirjam Spring und Igna Woytena.
Um Futter- und Geldspenden einzutreiben, ist Mirjam Spring unermüdlich im Einsatz. In Regensdorf hat das Team einen Lagerplatz für die Ware eingerichtet. «Meist hat es genug Nahrungsmittel, aber es gibt auch Engpässe, dann muss ich auf die Suche gehen. Aber ich bin mit Tierstiftungen gut vernetzt.»