Dominique Rais
Es ist der 20. März 1993. Der Zoo Zürich ist an jenem Samstagnachmittag vor 30 Jahren gut besucht. Andrang herrscht damals auch im Menschenaffenhaus. Denn bei den Sumatra-Orang-Utans hatte es nur wenige Monate zuvor Nachwuchs gegeben. Mit Sirih kam am 7. Dezember 1992 die erste gemeinsame Tochter von Orang-Utan-Mutter Jane (damals 10) und Pongo (damals 33), dem Oberhaupt der zwölfköpfigen Orang-Utan-Gruppe, zur Welt. Jedoch liess Jane die kleine Sirih von Anfang an nicht saugen.
Mit der ranghohen Orang-Utan-Dame Radia (†20), zu diesem Zeitpunkt bereits zweifache Mutter, fand das verstossene Orang-Utan-Mädchen glücklicherweise aber eine fürsorgliche Adoptivmutter, die sich um Sirih kümmerte, als wäre sie ihre eigene Tochter. Sie teilten ein ähnliches Schicksal: Denn auch Radia wuchs ohne leibliche Mutter auf. Doch das Glück von Ziehmutter und Zögling sollte nicht von Dauer sein.
Ziehmutter im Zoo Zürich vergiftet
Am 20. März 1993 kommt es im Aussengehege des Menschenaffenhauses im Zoo Zürich zur Tragödie. An jenem Samstagnachmittag wird Orang-Utan-Ziehmutter Radia von einem Unbekannten mit einem Giftköder vergiftet. Mit Sirih im Arm zieht sich Radia auf einen Baum zurück. «Um 15.00 Uhr ist es passiert: Sie bekam Krämpfe und hatte Schaum vor dem Maul», schilderte der damalige Zürcher Zoodirektor Alex Rübel gegenüber der NZZ den Vorfall.
Als ihre Kräfte nachlassen, stürzt sie vor den Augen zahlreicher Zoobesucher rund sechs Meter in die Tiefe und begräbt Sirih unter sich. Das Affenbaby überlebt. Doch für Adoptivmutter Radia kommt trotz des umgehend aufgebotenen Tierarztes jede Hilfe zu spät.