Karin Steiner
Obwohl die Brauerei Oerlikon ihren Standort in Seebach hat und auch weiterhin haben wird, ist sie in Oerlikon tief verwurzelt. Begonnen hat alles damit, dass der Oerliker Daniel Frei, der in einem kleinen Haus beim Bahnhof Oerlikon wohnte, seine Begeisterung für das Bierbrauen entdeckte. Er experimentierte im Garten und in der Küche, besuchte schliesslich einen Braukurs und erwarb auf einem Bauernhof eine Occasion-Brauanlage. Damit war der Grundstein gelegt, und 2015 wurde die Brauerei Oerlikon gegründet. Oerliker Bier gab es übrigens schon von 1885 bis 1905 – es wurde damals gleich beim Bahnhof gebraut.
Ein schwieriger Start
Vor drei Jahren übernahm Jannis Morgenthaler die Brauerei. Sein Master-Studium im Bereich Finanzen brach er ab, um seine ganze Energie in diesen Betrieb, in dem er schon zuvor gearbeitet hatte, zu stecken. «Es war anfangs eine schwierige Zeit», erinnert er sich. «2020 machten wir durch eine erfolgreiche Crowdinvesting-Kampagne den nächsten Schritt in unserer Professionalisierung, doch dann kam der Lockdown. Wir hatten gerade eine neue Abfüllanlage gekauft.» Dennoch wurde der Barbetrieb aufrechterhalten, und der Bierverkauf über die Rampe zog merklich an.
Inzwischen ist die Nachfrage rasant gewachsen. «Momentan kommen wir kaum nach mit Brauen. Deshalb suchten wir schon seit längerem grössere Räumlichkeiten, um mehr produzieren zu können. Hinzu kommt, dass die Liegenschaft, in der wir uns heute befinden, abgerissen wird.» Es sei sehr schwierig, eine so grosse, bezahlbare Fläche zu finden. «Zudem war uns wichtig, aufgrund unseres Namens im Grossraum Oerlikon zu bleiben.»
Gefunden wurde die neue Heimat schliesslich im Erdgeschoss des Örlikerhus, dort, wo die Emil Frey AG vor der Fertigstellung ihres Neubaus in den Showrooms ihre Neuwagen präsentierte. Das Örlikerhus gehört der Gewerbehaus-Genossenschaft Oerlikon GGO und wurde zu dem Zweck erbaut, dass Gewerbetreibende bezahlbare Räume mieten können.
Treffpunkt im Quartier
Die Brauerei Oerlikon setzt ihren Fokus klar auf den Direktverkauf. Sie beliefert über 30 Gastropartner in Zürich und der Region und verkauft Bier vor Ort. Wichtigsten Standbein ist jedoch der Taproom mit dem Barbetrieb. «Unser Taproom ist mehr als nur ein Ort für Bierliebende, er ist ein Treffpunkt für Menschen aus dem Quartier und bietet ein vielfältiges kulturelles Programm», sagt Morgenthaler. «Hier kommen Menschen zusammen, um gemeinsam Bier zu geniessen und kulturelle Veranstaltungen zu erleben.»
Im Taproom treten regelmässig junge lokale Kunstschaffende, vorwiegend Musikerinnen und Musiker, auf und geben Gratiskonzerte. «Ich bin selber ein Fan von solchen Konzerten», sagt Jannis Morgenthaler. «Da ich keine Zeit habe, sie zu besuchen, hole ich die Künstler halt zu uns. Ich möchte ihnen auch eine Plattform geben, wo sie auftreten können.»
Immer neue Kreationen
Während sich Jannis Morgenthaler vorwiegend um alles Administrative kümmert, kreieren drei Brauer 20 verschiedene Sorten Bier – Ziel ist es, dass monatlich eine neue dazukommt. Sie alle sind Quereinsteiger: Nicolas Zimmermann war ursprünglich Apotheker und fing bereits bei Daniel Frei an, Elliot Stew und Michael Schoedon waren Kunststudent respektive Barkeeper in England und verteilten zu Beginn das Oerliker Bier mit dem Lastenvelo in der Stadt.
Crowdinvesting gestartet
Mit dem Umzug sollen die Produktionskapazitäten erweitert und das Angebot ausgebaut werden. Um den Umzug und die damit verbundenen Investitionen in einen neuen Taproom, eine effizientere Produktionsanlage und zusätzliche Fläche zu finanzieren, hat das Team eine neue Crowdinvesting-Kampagne gestartet. «Wir haben bereits 550 Aktionärinnen und Aktionäre», sagt Jannis Morgenthaler. «Im August hat die Generalversammlung einer Kapitalerhöhung mit grossem Mehr zugestimmt. Nun sind wir auf der Suche nach weiteren Investoren.»
Der Taproom ist bis Weihnachten geöffnet, die Wierederöffnung ist Anfang 2025 geplant. Für den Umzug gibt es eine dreimonatige Produktionspause. «Wir sind bereits jetzt am Vorproduzieren.»