Das Quartier Affoltern soll mit einer neuen, vier Kilometer langen Tramlinie entlang der Wehntalerstrasse zwischen Brunnenhof und Holzerhurd eine Direktverbindung in die Innenstadt und damit Anschluss an das städtische Tramnetz erhalten. So will die Stadt Zürich dem Bevölkerungswachstum in Affoltern Rechnung tragen. Das neue Tram kostet freilich fast 450 Millionen Franken – rund 170 Millionen Franken mehr als geplant. Es soll ab Dezember 2029 auf der Wehntalerstrasse die Trolleybuslinie 32 ersetzen – zumindest wenn alles nach Plan läuft.
VCS wird konkret
Dass gut 100 Einsprachen gegen das Megaprojekt eingingen, sorgte für wenig Schlagzeilen. Zu tief hielten die VBZ in ihrer Medienmitteilung dazu den Ball. Doch nun macht der Verkehrsclub der Schweiz, kurz VCS, in seinem neusten Mitgliederheft die Gründe für seine Einsprache öffentlich. Dazu gilt: Wenn der VCS Einsprache macht, dann schrillen oft die Alarmglocken. Denn der VCS hat so schon ein Fussballstadion beim ehemaligen Hardturm und eine Seilbahn über den See verhindert, sowie in den 1990er Jahren das Mega-Projekt HB Süd-West gebodigt. Und ja, das Rosengartentram mit dem Autotunnel darunter wurde ebenfalls unter anderem wegen dem VCS bachabgeschickt an der Urne. Und damit sind wir beim Thema:
Mehr Autos «schlucken»?
«Affoltern: Revival des Rosengarten-Unsinns?», lautet der Titel des VCS-Artikels. Die Botschaft des Souveräns sei klar gewesen. Tramausbauten in Zürich soll es nur noch geben, wenn es sich dabei um «gut in die Siedlungsstruktur eingebettete Projekte handle, die wirklich den Umstieg vom Auto auf den ÖV befördere und den öffentlichen Raum aufwerte». Doch beim Projekt in Affoltern deute laut dem VCS alles darauf hin, dass nach dem Bau der Tramlinie die Kreuzungen mehr Autos «schlucken» könnten als heute ohne Tram. «Am Zehntenhausplatz wird der Autoverkehr sogar durch ein Quartierzentrum gelenkt, damit alle drei (!) Fahrspuren für den motorisierten Individualverkehr leistungssteigernd weiterbetrieben werden können», so die Feststellung des VCS.
682 Bäume müssten gefällt werden
Dass die Strasse auf der ganzen Länge von vier Kilometern um 6 bis 6,6 Meter verbreitert werde, sei ein zusätzlicher Schwachpunkt. Stossend auch, dass 682 Bäume gefällt werden müssten. Würde das Tram-Projekt gebaut, könne man künftig von den Trottoirs aus direkt in die Parterrewohnungen hineinschauen, weil die Strasse direkt an die Häuser heranrücke.
Zu schmale Velowege?
Zudem bemängelt der VCS, dass künftig die (weiterhin nicht abgetrennten) Velowege meist nur 1,50 m breit wären. Die Nähe der Strasse zu den Häusern habe zudem Folgen: «Damit wäre die Bewohnerschaft von 292 Gebäuden – also wohl mehrere tausend Personen – damit weiterhin übermässigem Lärm ausgesetzt». Das Fazit der Autorenschaft Gabi Petri und Markus Knauss: «Das ganze Projekt ist extrem technokratisch und maximal auf die Bedürfnisse des motorisierten Individualverkehrs ausgerichtet. Dass die Wehntalerstrasse mitten durch ein dichtbesiedeltes Wohnquartier führt, wird komplett ignoriert. Schulwege, Bäume oder Velofahrende – vernachlässigbare Grössen: Eine solche Strassenplanung im Geist der 70er-Jahre wirkt 2024 komplett aus der Zeit gefallen». Der VCS Zürich habe deshalb eine Einsprache eingereicht, um die Interessen der Menschen an der und um die Wehntalerstrasse zu schützen.
Quartier ist dafür, wie auch dagegen
Im Quartier sind die Meinungen gemischt. Vor allem Gewerbler haben Bedenken, dass ihnen die Existenzgrundlage entzogen wird. Der Quartierverein steht mehrheitlich hinter dem Projekt. Die VBZ sind überzeugt, dass das Tram Affoltern realisiert werden kann, allenfalls einfach nicht bis 2029, sondern ein wenig später. Bemerkenswert ist, dass das gross angekündigte Hausverschiebeprojekt des Restaurants «Frieden» davon abhängt, ob das Tram Affoltern bei der nötigen Volksabstimmung angenommen wird oder nicht.
Die VBZ prüfen laut eigenen Angaben die eingebrachten Anliegen und führen aktuell Einspracheverhandlungen durch. Ist keine Einigung mit den Einsprecherinnen und Einsprechern möglich, entscheidet laut den VBZ das Bundesamt für Verkehr (BAV) als erste Instanz über die Einsprachen.