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Auto & Mobil
06.08.2024
07.08.2024 12:18 Uhr

Aufgewertete Drehscheibe für Europa

Exkursionen und Fernreisen Seite an Seite: die Zürich Bus Station an einem Julimorgen.
Exkursionen und Fernreisen Seite an Seite: die Zürich Bus Station an einem Julimorgen. Bild: Tobias Hoffmann
Der Carparkplatz am Sihlquai hinter dem Hauptbahnhof, lange fast ein Unort, putzt sich heraus und heisst jetzt Zürich Bus Station. Hier weht ein wenig der Duft der weiten Welt, aber der Ruch der dritten Klasse bleibt.

Tobias Hoffmann

Reisen war schon immer eine Klassenfrage. Die heutige Ordnung geht, einer Faustregel folgend, so: erste Klasse = Flugzeug, zweite Klasse = Zug, dritte Klasse = Car. Man mag einwenden, dass die erste Klasse im Zug doch mehr erste Klasse ist als Economy im Flugzeug. Aber lassen wir solche Feinheiten. In einem Punkt dürften sich viele einig sein: Bus fahren tut man nur im Notfall. Manche mögen für sich sogar denken: Mit dem Car fahren nur Ausländer, AHV-Rentner und arme Schlucker.

Ein Infrastrukturvergleich scheint die­se abwertende Haltung zu bestätigen: Während in Zürich der Flughafen schon mal «unique», also einzigartig war, aber auf jeden Fall ziemlich top ist (wenn man den Rankings glauben mag), ist der Hauptbahnhof gehobene Mittelklasse und der Busbahnhof – ein Carparkplatz. Nicht viel mehr als eine Abstellfläche also. Oder war es bis diesen Sommer zumindest.

Service für Kunden und Chauffeure

Anfang 2023 begann das Amt für Hochbauten mit der Neugestaltung des Areals. Es strebt eine deutliche Attraktivitätssteigerung an. Spätestens im November sollten die Arbeiten beendet sein. Zurzeit wird vor allem noch am Pavillon gebaut. Die Park- und Haltefläche für die Busse ist kürzlich fertig geworden. Eine feudale Busdrehscheibe, die jahrzehntelang bestehen soll, wird es jedoch nicht geben.

Denn nach wie vor stellt das Areal eine städtebauliche Lücke mit grossem Entwicklungspotenzial dar: Direkt neben dem Hauptbahnhof ­gelegen, am Eingang des immer stärker aufgewerteten Quartiers Gewerbeschule, könnte hier Grosses entstehen. Aber um einen Wurf, der die unterschiedlichen Vorstellungen und Prioritäten bedient, wird wohl noch länger gerungen werden.

Endlich ein Warteraum

Das «Provisorische» der Gestaltung erkennt man sehr gut am Pavillon (oben im Bild), der in Leichtbauweise erstellt wird. Er wird auf den Plänen als Betriebsgebäude bezeichnet, ist aber eher ein Servicegebäude: Er wird einen Warteraum für 50 Personen, einige Billettverkaufsschalter, WC-Anlagen, Aufenthaltsräume für Chauffeure sowie einen gedeckten Aussenbereich enthalten.

Für die Busse ist ein grosser asphaltierter Hof entstanden ohne die frühere mittige Grüninsel, die das Manövrieren erschwerte. An 15 Haltekanten können die Passagiere einsteigen, dazu kommen 13 reine Busparkplätze. Der asphaltierte Bereich wird durchgehend von einem grünen Ring umschlossen sein, wo zusätzliche Bäume gepflanzt wurden oder noch werden.

Nach Rom und an den Rheinfall

Nehmen wir einen Augenschein: An einem sonnigen Morgen Ende Juli herrscht kein grosses Gewimmel, aber die herbeieilenden Passagiere bilden ein buntes Volk. Offensichtlich sind viele verschiedene Nationen vertreten. Neun Busse stehen da, drei davon sind offenbar nur abgestellt. Bei zwei Bussen ist der Einsteigevorgang in Gang. Ein giftgrüner Flixbus wird demnächst nach Rom fahren. Wer für diese Verbindung ohne Umsteigen einige Tage im Voraus gebucht hat, dürfte um die 90 Franken bezahlt ­haben (einfache Fahrt) und in knapp 13 Stunden in die Ewige Stadt gelangen.

Das Angebot ist gross, vor allem nachtsüber. Wer einen Zug im Hauptbahnhof nebenan nimmt, zahlt zwar 20 bis 50 Franken mehr, hat aber stündlich eine Verbindung mit einmaligem Umsteigen in Mailand und ist in nur gut 8 Stunden am Ziel. Dennoch scheint der Bus konkurrenzfähig zu sein ...

Daneben wartet ein roter Bus der Firma Hilário-Reisen, der mit «Rhine Falls» angeschrieben ist. Hier ist der Zustrom am stärksten ... An diesem Tag stürzen über 600 000 Liter pro Sekunde über die Felsen, zwar längst nicht mehr so viel wie Mitte Juli, aber eindrücklich allemal. Der Ausflug wird sich für die Touristen lohnen.

Wo um Himmels willen ist Trogir?

Die deutsche Flix SE ist das markt­beherrschende Fernbusunternehmen in Mitteleuropa. Von Zürich fahren zur Hauptreisezeit im Sommer täglich rund 70 Flixbusse ab, wie der «Tages-Anzeiger» recherchiert hat. Zahlreiche Angebote gibt es zurzeit beispielsweise für Portugal und die Küsten- und Badeorte an beiden Seiten der Adria.

Sehr oft muss man allerdings umsteigen, Richtung Osten fast immer in München, einer der grossen Drehscheiben von Flixbus. Dennoch: Fernweh kann hier an der Sihl durchaus entstehen. Es müssen ja nicht unbedingt die fast 20 Stunden ins malerische Trogir in Dalmatien für nur 125 Franken sein. Oder vielleicht gerade doch?

Tobias Hoffmann/Zürich24