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Kultur
31.01.2024

Umstrittene Bührle-Sammlung neu ausgestellt

In der neu ausgestellten Bührle-Sammlung werden die Biografien von früheren Eigentümern einzelner Werke, deren Veräusserung unter heute fragwürdigen Umständen erfolgte, hervorgehoben.
In der neu ausgestellten Bührle-Sammlung werden die Biografien von früheren Eigentümern einzelner Werke, deren Veräusserung unter heute fragwürdigen Umständen erfolgte, hervorgehoben. Bild: Franca Candrian, Kunsthaus Zürich
Das Kunsthaus Zürich zeigt derzeit eine neue Ausstellung der Kunstsammlung des umstrittenen Waffenproduzenten und Mäzens Emil G. Bührle. «Eine Zukunft für die Vergangenheit. Sammlung Bührle: Kunst, Kontext, Krieg und Konflikt» beleuchtet – teils auch widersprüchlichen Perspektiven – auf den historischen Kontext unter dem die Sammlung einst entstand.

Die Kunstsammlung des Zürcher Waffenfabrikanten Emil Georg Bührle (1890–1956) ist wohl ebenso bekannt wie umstritten. Denn Bührles Vermögen stammt zu einem wesentlichen Teil aus Waffenverkäufen während der NS-Zeit. Bestimmte Werke in der Sammlung wurden von den Nationalsozialisten von jüdischen Eigentümerinnen und Eigentümern beschlagnahmt und mussten als NS-Raubkunst nach dem Zweiten Weltkrieg restituiert werden.

Andere Werke der Sammlung wiederum wurden von jüdischen Eigentümerinnen und Eigentümern ausserhalb des NS-Machtbereichs wie den USA, der Schweiz und dem nicht besetzten Teil Frankreichs zwischen 1933 und 1945 veräussert, um ihre Flucht sowie ihren Lebens­unterhalt zu finanzieren. Infolge dieser Tatsache ist die Bührle-Sammlung, zu der bedeutende Werke impressionistischer Künstler wie Paul Cézanne, Edgar Degas, Claude Monet und Vincent van Gogh gehören, entsprechend umstritten.

Zwischen Konsens und Dissens

Seit Herbst 2021 ist die Sammlung Bührle als Dauerleihgabe im Kunsthaus Zürich zu sehen. 2022 hat die Stiftung Sammlung E. G. Bührle als Eigentümerin dem Kunsthaus in einer neuen Vereinbarung die kuratorische Leitung der privaten Dauerleihgabe zugestanden. «Wir wollen den komplexen und konfliktreichen Kontext der Sammlung Bührle beleuchten. Es ist eine Sammlung von hochkarätiger Kunst, aber sie ist umstritten», wird Ann Demeester, Direktorin des Kunsthauses Zürich, in einer Mitteilung zur neuen Bührle-Ausstellung zitiert. Die neu ausgestellte Sammlung zeigt den jetzigen Stand der Provenienzforschung zur Geschichte einiger Werke.

«Die Gemälde selbst haben keinen Anteil an dem unfassbaren Unrecht, das in der Zeit des Nationalsozialismus ausgeübt worden ist. Sie legen aber Zeugnis davon ab und sind Anlass, der Opfer des NS-Terrors zu gedenken, ihre Schicksale in Erinnerung zu rufen und die Rolle der Schweiz im Zweiten Weltkrieg zu reflektieren», so Demeester. Denn nicht zuletzt hat das Kunsthaus von Bührles Zuwendungen und seiner posthum gegründeten Stiftung profitiert.

Die neue Ausstellung wurde durch ein interdisziplinäres Team abteilungsübergreifend erarbeitet, wobei das Kunsthaus-Team von November 2022 bis Oktober 2023 durch einen externen Beirat von Expertinnen und Experten begleitet wurde. Nach Unstimmigkeiten über das Gewicht, welches die individuellen Schicksale früherer Eigentümer, die Opfer des NS-Unrechtsregimes geworden waren, in der Neupräsentation haben sollten, trat der Beirat Mitte Oktober jedoch zurück.

«Unsere zwölfmonatige Zusammenarbeit war von grossem gegenseitigem Respekt getragen. Aber am Ende stimmten wir darin überein, dass wir nicht in allen Aspekten der konkreten Umsetzung übereinstimmen», so Demeester. «Mit Herzblut, wachem Blick und konstruktiver Kritik haben die sieben Mitglieder des Beirats das Konzept und die Ausstellung in entscheidenden Punkten mitgeprägt», sagt sie. So sei auch der Dissens Teil dieser bewusst vielstimmig gestalteten Ausstellung, wie es in der Mitteilung des Kunsthauses heisst.

Kritisches Hinterfragen

«Wir halten es für wichtig, gemeinsam einen neuen Umgang mit der Sammlung Bührle zu entwickeln. Kritisches Hinterfragen soll die Präsentation einzigartiger Meisterwerke und ihre Geschichte mit dem Heute verbinden», so die Direktorin des Kunsthauses. So beginnt die Ausstellung in der Vergangenheit und endet mit Fragen an die Zukunft.

In Video- und Audiobeiträgen äussern sich mehr als 20 Persönlichkeiten – darunter Vera Rottenberg (ehemalige Bundesrichterin), Jacques Picard (Historiker, ehemaliges Mitglied der Bergier-Kommission), Gina Fischli (bildende Künstlerin), Felicitas Heimann-Jelinek (Judaistin) und Hanspeter Frey (ehemaliger Mit­arbeiter der Firma Bührle). Unter dem Motto «Das Kunsthaus hört zu» steht jeweils mittwochs von 16.15 bis 18 Uhr ein Mitglied des Kernteams zum persönlichen Gespräch zur Verfügung. Darüber hinaus ist der ­Eintritt in die Sammlung inklusive der Neupräsentation der Sammlung Bührle an diesem Tag gratis.

Die Ausstellung soll noch bis Ende dieses Jahres dauern, wobei fortlaufend neue Erkenntnisse darin einfliessen sollen, so etwa auch der für diesen Sommer erwartete Schlussbericht des Historikers Raphael Gross, der aktuell die Provenienzforschung der Stiftung Sammlung E. G. Bührle überprüft.

Weitere Informationen: www.kunsthaus.ch

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