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Stadt Zürich
09.09.2023
08.09.2023 16:17 Uhr

So gehen Bauunternehmen mit der Hitze um

«Wenn die Arbeitenden von der Hitze zu erschöpft und müde sind, lohnt es sich gar nicht, den ganzen Tag bis in den Abend zu arbeiten», sagt Patrick Angst von der Specogna AG.
«Wenn die Arbeitenden von der Hitze zu erschöpft und müde sind, lohnt es sich gar nicht, den ganzen Tag bis in den Abend zu arbeiten», sagt Patrick Angst von der Specogna AG. Bild: Rahel Köppel
Der Sommer neigt sich dem Ende zu und mit ihm auch die Hitze. Darüber freuen sich die Menschen, die den ganzen Tag unter freiem Himmel arbeiten. Denn weniger gearbeitet wurde trotz Hitze nicht, im Gegensatz zu den Kantonen Genf und Tessin. Der Kanton Zürich sieht den Bund in der Pflicht.

Rahel Köppel

Es war ein Sommer mit ausgesprochen hohen Temperaturen. Das Thermometer kletterte mehr als nur einmal über die 30-Grad-Grenze und die Tage waren schwül und heiss. Während viele Leute das Privileg haben, in einem klimatisierten Büro oder im Homeoffice zu arbeiten, sind Bauarbeitende meist den ganzen Tag draussen. Gerade wenn man dabei mit Eisen arbeitet und auf einer exponierten Fläche ist, spürt man die Hitze enorm.

Kein Schatten weit und breit

Die Specogna AG, die in Kloten stationiert ist, baut am Flughafen momentan eine neue Anlage für die Verwertung des Enteisungswassers der Flugzeuge. Dabei haben die Bauarbeiter viel mit Stahl zu tun und arbeiten meist in einer Einbuchtung, in der es laut Vorarbeiter Patrick Angst gut und gerne bis zu 38 Grad warm werden kann. Hinzu kommt, dass es rundherum keine hohen Gebäude oder Bäume gibt, sodass die Arbeitenden der Sonne voll ausgesetzt sind. «Das Gute ist, dass es in der Schweiz meist nur wenige Wochen am Stück so heiss ist», so Angst. In der Hitze der letzten Wochen haben die Bauarbeiter oft schon um sechs Uhr morgens angefangen und sind dann dafür früher nach Hause gegangen. Ausserdem wurden ihnen gratis Wasserflaschen, Sonnencremes und Sonnenbrillen zur Verfügung gestellt und immer wieder kurze Pausen eingeführt. Die Helme haben einen integrierten Nackenschutz.

«Man muss flexibel sein»

Bei starken Stürmen oder Gewittern werden die Bauarbeiten laut Marc Specogna, Co-CEO von Specogna, auch abgebrochen oder entsprechend angepasst. «Man muss sehr flexibel und kurzfristig reagieren können», so Specogna. «Die Leistung bei grosser Hitze oder auch grosser Kälte lässt generell nach.» Bei starkem Regen oder auch grosser Kälte kann beispielsweise nicht betoniert werden, und auch bei grosser Hitze müssen die frisch betonierten Bauteile gegen zu rasches Austrocknen geschützt beziehungsweise mit Isomatten abgedeckt werden. «Mitte Juli mussten wir diverse Baustellen wegen zu grosser Hitze und auch wegen Gewitterwarnungen sichern und einstellen», so Marc Specogna. Es sei aber erstaunlich, wie wetterfest das Personal sei und wie es den Wetterkapriolen trotze. «Teilweise muss man die Mitarbeitenden fast dazu zwingen, sich zu schützen», stellte Patrick Angst fest. Manchmal sei es schwierig, sich an alle Vorgaben zu halten, da man im Bau oft unter grossem Zeitdruck stehe, gibt aber Marc Specogna zu.

Mehr Unfälle wegen der Hitze

Laut der Suva ereignen sich an Tagen mit Temperaturen über 30 Grad sieben Prozent mehr Unfälle als an anderen Sommertagen. Gründe dafür könnten unter anderem Übermüdung und Unkonzen­triertheit sein. Darum sei es wichtig, auf die Signale des Körpers zu achten und das Arbeitstempo der Hitze und dem Körpergefühl anzupassen, genügend zu trinken und Pausen am Schatten zu machen. «Die Suva sensibilisiert Betriebe und ihre Mitarbeitenden seit Jahren auf die Gefahren von Hitze, UV-Strahlung und anderen Wettereinflüssen», so Adrian Vonlanthen, Mediensprecher der Suva. «Allerdings lässt sich vermuten, dass extreme Wetterverhältnisse in den kommenden Jahren zunehmen könnten, womit die entsprechenden Massnahmen weiter an Bedeutung gewinnen.»
Die Massnahmen gegen Hitze, UV-Strahlung und andere Wettereinflüsse seien sehr wichtig und ermöglichten es, dass auch in heissen Tagen sicher auf Baustellen und im Freien gearbeitet werden kann. «Unsere Erfahrungen zeigen, dass viele Betriebe die Hitzeschutzmassnahmen ernst nehmen und auch um­setzen», so Vonlanthen. «Stellen wir bei Betriebskontrollen Mängel fest, sprechen wir diese mit den Verantwortlichen an und suchen nach geeigneten Lösungen.»

Erfahrung ist hilfreich

Auch Patrick Angst ist bewusst, wie wichtig solche Massnahmen sind. «Vor sechs Jahren hatte ich mal einen ziemlichen Hitzeschock nach der Arbeit in der Sonne», erzählt er. Gäbe es keine Möglichkeit, die Arbeiten auf die Nacht zu verlegen? «Da gehört vieles dazu und es ist immer etwas schwierig, das durchzubringen», berichtet er. «Dafür braucht man eine Bewilligung, und bis diese dann mal eingeht, sind die Hitzeperioden meist schon durch.» Hier ergänzt Philip Egli, Projektleiter Ausführung und technische Leitung: «Nacht- oder Schichtarbeit wird nur bei übergeordneten Projekten ermöglicht, und zwar nur dort, wo es nicht anders geht. Ausserdem haben unsere Mitarbeiter ebenfalls Familien, Vereine und politische Verpflichtungen, denen sie nachgehen.» Auch sei immer abzuwägen, wie es in der Nacht mit der Lärm­belästigung aussieht. Patrick Angst setzt stattdessen häufig auf seine Erfahrungen. «Wenn man schon lange in diesem Bereich arbeitet, weiss man auch, was man in solchen Situationen tun kann und was sich überhaupt lohnt.» Es gebe ja immer noch die Möglichkeit, auf andere Arbeiten auszuweichen. «Wenn die Arbeitenden von der Hitze zu erschöpft und müde sind, lohnt es sich gar nicht, den ganzen Tag bis in den Abend zu arbeiten.» Es wirke sich letztendlich negativ auf die Produktivität aus.

GE und TI: Arbeit auf Bau­stellen teilweise eingestellt
Wegen der Hitzewelle wurden in den Kantonen Genf und Tessin gewisse Bauarbeiten nachmittags eingestellt. Die neue Regelung sei für Baufirmen aber schwierig umzusetzen – vor allem, weil in den Kantonen unterschiedliche Regeln gelten. Dies meldete Radio SRF. Jeweils ab 12 Uhr seien in Genf die sogenannt sehr schweren Bauarbeiten verboten: etwa jene auf Dächern, wo die Bauarbeiterinnen und Bauarbeiter der Sonne noch mehr ausgesetzt sind. Das hat das Genfer Arbeitsinspektorat entschieden, gestützt auf eine neue Verordnung, die seit Juni gilt. Im Tessin war bei der grossen Hitze um 15 Uhr Arbeitsschluss. Umgekehrt war aber erlaubt, dass die Bauarbeiterinnen und Bauarbeiter bereits um 6 Uhr mit der Arbeit anfingen. Die Tessiner Regeln gehen auf einen neuen Gesamtarbeitsvertrag zurück. Zumindest in der Stadt Zürich würde ein Arbeitsbeginn um 6 Uhr die allgemeine Polizeiverordnung verletzen, welche als frühesten Arbeitsbeginn für lärmige Tätigkeiten 7 Uhr vorschreibt. (red.)

Nachgefragt: «Suva definiert die Arbeit über 36 Grad als sehr kritisch»

Fabian Boller*, im Kanton Genf wurde das Arbeiten auf Aussenbaustellen bei Hitze zeitlich eingeschränkt, dies aufgrund von Vorschriften des dortigen Arbeitsinspektorats. Wurden derartige Überlegungen bei Ihnen auch schon gemacht?

Solche extremen Hitzetage, wie wir sie kürzlich erlebten, stellen eine grosse Herausforderung für alle Mitarbei­tenden dar, insbesondere wenn dazu noch körperlich schwere Arbeit zu leisten ist. Wir haben Kenntnisse von getroffenen Massnahmen des Arbeitsinspektorats in Genf. Unseres Erachtens fehlt dazu allerdings eine gesetzliche Grundlage. Eine solche müsste vom Bund geschaffen werden. Das Seco und die Suva haben lediglich Empfehlungen für die Arbeitgeber erlassen, wie diese ihre Pflicht zum Schutze der Arbeitnehmenden an Hitzetagen umsetzen sollen. Die Suva, als das auf Baustellen zuständige Vollzugsorgan, definiert die Arbeit über 36 Grad als sehr kritisch. Im Kanton Zürich sind solch hohe Temperaturen weniger zu erwarten bzw. bilden eine Ausnahme. Das Arbeitsinspektorat des Kantons Zürich verfolgt aber die Bestrebungen und Massnahmen in den von Hitzeereignissen exponierteren Kantonen aufmerksam.

Gab es diesen Sommer zeitliche Einschränkungen/Vorgaben auf Baustellen im Kanton Zürich?

Nein.

Gibt es Pläne, in den kommenden, wohl noch wärmeren Sommern derartige Vorgaben auszuarbeiten und umzusetzen?

Für konkrete Vorgaben, die auf gesetzlichen Grundlagen abstützen, ist das Seco bzw. das BAG zuständig. Das Arbeitsinspektorat kann von sich aus keine zwingend einzuhaltenden Vorschriften erlassen. (ls.)

* Fabian Boller ist Mediensprecher bei der Kantonalen Volkswirtschaftsdirektion und für das zuständige Amt für Wirtschaft und Arbeit verantwortlich.

Baustelle der Specogna AG am Flughafen. In der Hitze der Juli-Wochen haben die Bauarbeiter oft schon um sechs Uhr morgens angefangen und sind dann dafür früher nach Hause gegangen. Bild: Rahel Köppel
Rahel Köppel
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