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Zürich West
07.06.2023

«Das ist meine Traumwand»

Er hat noch viel Arbeit vor sich: Alex Hohl vor der Wand an der Ecke Selnau- und Sihlhölzlistrasse, die er nach seinen Vorstellungen gestalten kann.
Er hat noch viel Arbeit vor sich: Alex Hohl vor der Wand an der Ecke Selnau- und Sihlhölzlistrasse, die er nach seinen Vorstellungen gestalten kann. Bild: Roger Suter
Der Street-Art-Künstler Alexander Hohl hat an der Ecke Selnau- und Sihlhölzlistrasse eine ungenutzte weisse Wand entdeckt. Er hat bei der Stadt Zürich, der Besitzerin der Liegenschaft, nachgefragt – und wird in den nächsten Wochen ein 10 mal 21 Meter grosses Wandbild malen.

Roger Suter

Grosse Wandgestaltungen, sogenannte Murals, sind rar gesät in der Stadt Zürich. Umso glücklicher ist der Street-Art-Künstler Alex Hohl, dass er diese Wand direkt an der Sihl für die Stadt Zürich neu gestalten darf. Bei Recherchen für ein passendes Motiv ist er auf die Legende des Fraumünsters gestossen, die nun als Inspiration für das Wandbild dient. Mehr möchte der Künstler vorerst nicht verraten.

Der Street-Art-Künstler erfüllt sich damit einen lang gehegten Wunsch. «Ich habe diese Fläche schon öfter angesehen, wenn ich hier vorbeigekommen bin», erzählt er dem «Stadt-Anzeiger». Bei einer weiteren Vorbeifahrt habe er zu seiner Freundin gesagt: «Das ist meine Traumwand.» Zusammen habe man herausgefunden, dass diese Immobilie der Stadt Zürich gehört, für die Alex Hohl in der Vergangenheit auch schon Projekte realisiert hat. «Im Herbst vergangenen Jahres habe ich deshalb ein schriftliches Konzept eingereicht», erzählt Alex Hohl. Und siehe da: Nach einigen Iterationen und der Klärung von Detailfragen erhielt er das «Go» für das Mural.

Zuerst: Prüfung machen

Eines dieser Details war technischer ­Natur: Alex Hohl musste die Prüfung zum Führen einer Hebebühne machen. Anders ist das Kunstwerk nicht zu bewerkstelligen. Denn das Vorgehen des Künstlers, das inzwischen weit über «Sprayen» hinausgeht, ist sehr systematisch: «Zuerst versehe ich die ganze Wand mit einem Raster.» Denn um ein Zeichenmotiv vom Computerbildschirm auf eine 10 Meter breite und 21 Meter hohe Wand zu übertragen, braucht es Orientierungspunkte.

Dann beginnt er mit dem Malen des hintersten Motives. Oft ist dies das Licht, das von hinten zu den Betrachtenden scheint. Danach arbeitet er sich Bildebene für Bildebene nach vorne. So entsteht im Hintergrund eine spannende Bildtiefe, bevor zuvorderst dann das Hauptsujet gemalt und gesprayt wird.

Alex Hohl, der von einem Kollegen ­unterstützt wird, rechnet mit rund drei Wochen Arbeit. Zur Hand geht ihm dabei Patrick «Redl» Wehrli, mit dem er sich seit Jahren Atelier, Lager und Büro in Unterstrass teilt. Er ist dafür bekannt, mit ­seinen Werken verblüffende 3D-Effekte zu erzielen.

Geboren 1978, wuchs Alexander Constantin Hohl in Opfikon als Sohn schwei­zerisch-indonesischer Eltern auf. Später wohnte er in verschiedenen Kreisen in der Stadt Zürich, bevor er wieder zurück nach Opfikon kam. Mit Sprayen angefangen hat Alex Hohl wie viele seiner Generation an Brückenpfeilern, Stützmauern und anderen kahlen Betonmauern an der Glatt – illegal, weil es damals weder diese Kunstrichtung noch Platz oder gar Anerkennung dafür gab. Er absolvierte eine Lehre als Dekorationsgestalter, studierte später Kunst- und Mediengestaltung und schloss 2004 erfolgreich ab. Er arbeitete zehn Jahre im Fotostudio des Verlagshauses Ringier, hat Kulissen für Fotoshootings entworfen und gebaut. Nach einer der vielen Umstrukturierungen im Verlagswesen hat er den Entschluss gefasst, seine Berufung als Künstler zu seinem ­Beruf zu machen.

«Mein erster Auftrag war in einem ­Opfiker Privathaus», erinnert sich Alex Hohl, wo er in der Nachbarschaft eine Wand gestalten durfte. Ein weiterer privater Auftrag führte ihn, Jahre später, nach Küsnacht. Er sei von einer Architektin kontaktiert worden, um in einem Garten eine Wand zu gestalten. «Der Lebens­partner ist ein passionierter Jasser, die Hausbesitzerin mag Pastellfarben», umschreibt Hohl die Herausforderung ­dieses Auftrags, das bodenständige Kartenspiel mit sanften Farben zu gestalten. «Es gibt Aufträge, welche meine volle ­Kreativität ­erfordern, um aus den An­forderungen, welche an mich heran­getragen werden, ein harmonisches ­Gesamtbild zu erschaffen.»

120 Meter Mauer besprayt

Bei der Frage nach seiner ersten öffent­lichen Arbeit überlegte er länger: «Das war etwa 2007, eine 120 Meter lange Mauer der Schaffhauser Firma Stamm Gartenbau. Es ist heute noch da, ich hab es 2021 mal restauriert und war überrascht, wie intakt das Bild nach knapp 15 Jahren noch war. Viel auszubessern gab es nicht, die Farben sind sehr dauerhaft.»

Ein anderer Auftrag für Zürich Tourismus führte ihn nach Hongkong. Zweimal war er für Samih Sawiris, der unter anderem einen Teil des Skigebiets Andermatt UR besitzt, in Ägypten. Dort gestaltete er Wände in dessen Ferienstadt El Gouna, gut 20 Kilometer nördlich von Hurghada.

In Zürich designte er Innenwände in den Hotels Five und Holiday-Inn Messe Zürich, in der Möbel-Factory und in ­einem Schwamendinger Wohnhaus sowie Mauern bei einem Kindergarten im Kreis 3, beim Fussballplatz in der Nähe der Kalkbreite und an der Ottikerstrasse. Viele dieser Arbeiten wurden zusammen mit seinem Künstlerfreund Redl umgesetzt. Das neue Mural wird aber das mit Abstand grösste Werk des Opfikers in Zürich sein, und interessierte Passanten können bei der Entstehung live dabei sein.

Informationen: www.alexhohl.ch

Roger Suter