Tobias Hoffmann
And the winner is ... Cyril Schäublin heisst der Preisträger des mit 50 000 Franken dotierten Kunstpreises der Stadt Zürich für das Jahr 2023. Schäublin, 1984 in Zürich geboren, hat sich in Peking, Berlin und Paris zum Regisseur ausbilden lassen und neben einigen Kurzfilmen bisher zwei Spielfilme gedreht: «Dene wos guet geit» (2017) und «Unrueh» (2022). Die beiden Filme stecken eine Art biografischen Rahmen seiner Familiengeschichte ab: Der erste spielt in seiner Geburtsstadt Zürich, die zur Kulisse für eine lustige und subversive «Kapitalismus-Groteske» wird, wie die «Süddeutsche Zeitung» schrieb. Darin verlieren sich die von der Kamera auf Distanz gehaltenen Menschen in einer kalten Welt der digitalen Zahlencodes.
Der zweite spielt in Saint-Imier im Berner Jura im Jahr 1877, in einer Zeit, in der sich die industrielle Uhrenproduktion langsam zu entwickeln beginnt. Eine junge Fabrikarbeiterin kommt mit anarchistischen Uhrenmachern in Kontakt und beginnt sich für deren Ideen zu interessieren. Wie Schäublin in einem Interview erzählt, produzierten mehrere seiner Vorfahren genau jene «Unrueh» – also das Herzstück einer mechanischen Uhr –, die dem Film den Titel gab.
Illustre Vorgänger
Dass Schäublin nach nur zwei Spielfilmen bereits eine so hohe Auszeichnung erhält, mag etwas erstaunen. Denn der seit 1999 in dieser Form verliehene Kunstpreis gehört zu den höchstdotierten Preisen der Schweiz und wurde in der Vergangenheit vor allem an berühmte Kulturschaffende oder solche mit eindrücklichem Lebenswerk vergeben, von Pipilotti Rist über Bruno Ganz und Stephan Eicher bis zu Christoph Marthaler. Als bisher einziger Filmemacher erhielt ihn 2015 Markus Imhoof, der Schöpfer von «Das Boot ist voll» (1980). Doch Filmemachen ist in der Schweiz nun einmal ein langsames Geschäft, und Schäublin produziert wohl langsam, aber treffsicher: Für «Dene wos guet geit», der an viele Festivals eingeladen wurde, erhielt er in Locarno einen Preis der Jury sowie den Zürcher Filmpreis, für «Unrueh» den Regiepreis in der Sektion Encounters der Berlinale.
Den eigenen Blick erforschen
Zürich würdigt Schäublin als «innovativen Künstler, der das Publikum einlädt, abseits vom konventionellen, narrativen Kino mit ihm auf eine eigene unkonventionelle Entdeckungsreise zu gehen». Etwas spezifischer formuliert es der Filmkritiker Pascal Blum, der feststellt, Schäublins Filme würden uns Zeit lassen, «um auch einfach einmal zu schauen». Kein schnell geschnittenes Überwältigungskino also, sondern ein Kino, in dem man die Organisation des eigenen Blicks erforschen kann, wie es Schäublin selbst im Interview mit Blum ausdrückt.
Im Filmpodium ist übrigens zurzeit eine Reihe mit Filmen zu sehen, die Schäublin für filmhistorisch bedeutsam oder für in die Zukunft des Kinos weisend hält. In ihrem Rahmen gibt er Pascal Blum am 2. Mai Auskunft über seinen Filmkosmos.