«Am Anfang war es ein Quartierfest. Manche Dinge sind bis heute geblieben und andere Aspekte sind stark gewachsen», führt Mia Nägeli aus. Sie ist in der Geschäftsleitung und koordiniert für das Festival als auch für das Kollektiv die Kommunikation. Sie meint damit, dass das Kollektiv aktiv bleibt und das Festival immer wieder hinterfragt. «Man hat stets ausprobiert, etwa mit einer Spieldauer von drei Tagen experimentiert. So wurde harmonisch erkannt, was funktioniert», erklärt Nägeli.
Was funktioniert hat, ist bis heute ein Teil des Festivals. «Man hat zwar nie alles über den Haufen geworfen, aber es war auch nie ein Festival gleich wie im Jahr davor», ergänzt RaphaelWeidmann. Manchmal hat das Team erst später gemerkt, wo noch Bedarf bestand. Es ist vorgekommen, dass Leute beimFestival nach zwei, drei Stunden den Nordflügel noch nicht gefunden haben. «So merkten wir, dass die Signaletik vielleicht zu verbessern wäre», betont Weidmann.
Mit der Zeit haben sich immer mehr Leute für das Festival interessiert, sind näher zusammengewachsen. Man hat sich vernetzt, weil in den verschiedenen Bands teils die gleichen Leute spielten. «So ist das Kollektiv entstanden, weil man immer wieder mit den gleichen Leuten zu tun hatte», betont Raphael Weidmann. Über die Jahre hat sich das Kollektiv als lebhaft erwiesen und veränderte sich laufend. In welche Richtung die Arbeit geht, hängt immer davon ab, welche Leute gerade aktiv sind. «Mich beeindruckt oft, wie gut sich das Kollektiv gegenseitig unterstützt und fördert. Das ist gerade im Musikzirkus nicht selbstverständlich», unterstreicht Nägeli diesen Aspekt.
Aber das Kollektiv bzw. das Festival erlebte auch schwierige Zeiten, stand kurz vor der Coronapandemie beinahe vor dem Aus. Im OK sassen damals noch zwei Leute. Also stand die Frage im Raum, ob Kapazität und Energie noch ausreichten, um das Festival zu organisieren. «Auf beide Fragen war die Antwort eigentlich Nein», erklärt Weidmann, «aber wir haben gemerkt, dass wir ja neue Leute einbinden können.»
Ein Aufruf, in dem Leute für die Geschäftsleitung gesucht wurden, wurde auf Social Media beworben. Das Interesse war erfreulich gross und heute besteht das OK aus 15 Personen. Mia Nägeli ist so zum Kollektiv gestossen. «So konnten wir den Spass zurückfinden. Der Kollektivgedanke ist wieder da und die Gruppe ist viel diverser geworden. Das ist eine schöne Entwicklung», betont Weidmann. Zudem ist das Lauter Kollektiv jetzt offiziell gemeinnützig und somit steuerbefreit. Das Line-up für die diesjährige Ausgabe steht.
Lauter-Musiker bleiben dem Kollektiv verbunden
Im Lauter-Programm finden sich viele alte Bekannte. «Zum Beispiel Till Ostendarp mit dem Skiclub Toggenburg, seinem Techno-Projekt. Er hat immer wieder mit unterschiedlichen Projekten bei uns gespielt», erklärt Festivalleiter Weidmann. Oder Janos Mijnssen, Bassist bei Panda Lux und Faber, ist mit Lev Tigrovich dabei. Besonders spannend könnten Laurent und Max sein. «Es ist uns immer ein Anliegen, dass wir Max Kämmerling dabeihaben», so Weidmann weiter. Laurent und Max kennt man als Duo und mit schweizerdeutschen Kinderliedern. «In diesem Jahr haben wir sie als Headliner gebucht und sie werden in einer viel grösseren Formation spielen als sonst. Darauf freue ich mich sehr», sagt Weidmann.
Für Mia Nägeli ist dieser familiäre Gedanken besonders schön: «Da ist eine Handvoll Menschen, die sich sehr gut professionalisiert haben. Etwa Crimer oder Faber oder Steiner & Madleina, die früh im Lauter-Kontext unterwegs waren und daraus herausgewachsen sind, aber trotzdem noch mit dem Kollektiv auf die eine oder andere Art verbunden sind.» DasFestival feiert mit der 15. Ausgabe ein Jubiläum. Ob das mehr Menschen anzieht, ist schwer abzuschätzen, weil das Lauter Festival keinen Eintritt kostet. «Wir haben jeweils circa 3000 bis 4000 Leute. Das ist schon viel», erklärt Weidmann. Die Räume haben Kapazitäten für 400 und 800 Personen. Das heisst, bei 3000 Menschen sind die Räume schnell voll.
Allerdings ist in diesem Jahr das Festival zentraler. «Wir haben bewusst auf die Gessnerallee fokussiert. Bespielt werden die Theaterhalle der Gessnerallee, der Nordflügel und der Stall 6 für die DJs in der Nacht», erläutert Nägeli und führt weiter aus: «Ich fand es immer sehr schwierig, überhaupt noch ins El Lokal reinzukommen, wenn vor dem Eingang eine Traube aus Menschen stand. So ist alles viel kompakter.» Zudem ist die Kapazität grösser und erlaubt es, die Leute etwas besser zu steuern. «Es ist ein Experiment. Wir versuchen, den Stall 6 nicht so voll zu stopfen, wie er es bei den Headlinern oft war, sondern eine Art Auffangbecken zu bilden, wo man reden und ein Bier oder so trinken kann», ergänzt Weidmann.
Über 15 Festivaljahre hinweg passiert natürlich viel. So musste bei einer der ersten Ausgaben der Headliner kurzfristig den Gig streichen, weil sich die Bandmitglieder zuvor bei einem Handstand gegenseitig die Nase gebrochen hatten.Raphael Weidmann hat eine persönliche Geschichte. 2014 war er in Kanada und hat dort eine Band kennen und schätzen gelernt. Als das Lauter gut etabliert war, eröffnete sich eine Gelegenheit. «Also haben wir diese Band gebucht und ihr den Auftritt anbieten können. Das war schon cool, dass wir die Chance hatten, jemanden über den Atlantik zu holen, weil uns die Musik gefiel», freut sich Weidmann. «Über solche Ereignisse haben wir 2019 das Buch ‹Lauter Jahre› geschrieben», sagt Mia Nägeli.
80 Ehrenamtliche machen das Musikfestival erst möglich
Das Kollektiv verfügt inzwischen über ein breites Netzwerk und kann fast alles selbstständig organisieren. Bei der Technik hilft die Gessnerallee aus. «Es entlastet uns, wenn wir viel von der Gessnerallee beziehen können. Wir haben zwar teilweise Technikerinnen und Techniker aus dem Lauter-Umfeld, aber wir dürfen das technische Equipment der Gessnerallee nutzen und die Gessnerallee richtet alles sehr professionell für uns ein», erklärt Weidmann.
Durchgeführt wird das Festival ehrenamtlich und mit circa 80 Personen, die über das Festival hinweg im Einsatz sind. Rund 50 Schichten für Helferinnen und Helfer plus Technik und OK summieren sich jeweils. Dass dieser ehrenamtliche Gedanke so gut funktioniert, ist nicht selbstverständlich, zeigt aber auch, wie gross das Zugehörigkeitsgefühl im Lauter Kollektiv ist. Wie eine Art Familie. Das Festival ist über die Jahre in gesundem Rahmen gewachsen und konnte sich schön entfalten. Vermutlich steht es darum auf einem so soliden Fundament.
Der Leuchtturm strahlt also heute heller denn je. Raphael Weidmann schliesst mit den Worten: «Bei uns hat sich das Gefühl gesetzt, dass das Lauter Festival in der Gessnerallee zu Hause ist. Diesen Gedanken finde ich schon schön.»
Dieser Artikel entstand in Zusammenarbeit mit dem Zürcher Online-Kultur-Magazin Bäckstage.ch