Urs Heinz Aerni
Martin Schilt, seit jeher beschäftigen die Krähen oder die Raben die Menschen und fanden Eingang in Sagen, Märchen, Mythologien und Literatur. Jetzt produzierten Sie einen abendfüllenden Film dazu. Was war die Initialzündung?
«Mach doch einen Film über Krähen!», hat mir mein damals neunjähriger Sohn nach einer Filmpremiere von «Die Weisenberger» empfohlen. Das war vor fast zehn Jahren. Ganz ohne ornithologisches Vorwissen habe ich mich bereits im Verlauf einer ersten Recherche Hals über Kopf in diese Vögel verliebt.
Warum denn?
Wahrscheinlich fasziniert mich – wie viele andere Menschen, die Rabenvögel beobachten und studieren – vor allem das Menschliche an den Rabenvögeln. Und ich erkannte auch schnell das Räbische an mir selbst ...
Wie meinen Sie das?
Als Journalist und Filmemacher beobachten wir die Welt und berichten darüber. Das machen Krähen und Raben auch. Sie sind unsere schwarzen Chronisten.
In Ihrem Film gehen Sie mehreren Fragen nach, aber dazu später. Ein wichtiger Teil sind die Einblicke in Forschungsprojekte auf der ganzen Welt mit beeindruckenden Aufnahmen. Wie darf man sich die Recherchen dazu vorstellen?
Zum Glück bin ich zu Beginn der Recherchen schnell auf die Forschungsarbeiten von John Marzluff gestossen. Er konnte mit seinen Langzeitexperimenten belegen, dass Krähen menschliche Gesichter auseinanderhalten und sich an sie erinnern können. Mehr noch, seine Studien zeigen: Krähen haben die Fähigkeit, dieses «Wissen» an ihre Nachkommen und an andere Krähen weiterzugeben. Diese Erkenntnis führte dann zur These des Films: In den Krähen-Revieren gibt es ein kollektives «Wissen» über uns Menschen. Die Natur beobachtet uns.
Sie begleiteten auch schon den Film «Die Wiesenberger», aktuell filmen Sie Insekten für eine weitere Dokumentation, was macht das Filmen von Krähen besonders?
Rabenvögel gibt es überall. Menschen auch. Wir Menschen haben uns gemeinsam mit Krähen und Raben über alle Kontinente der Erde verbreitet. Gut möglich, dass sie uns auf unseren Entdeckungsreisen und Eroberungszügen den Weg gewiesen haben – so wie die dreibeinige Krähe, die der Legende nach den ersten Kaiser von Japan ins Land geführt hat und dafür bis heute das Trikot der Fussball-Nationalmannschaft ziert.
Wenn die Vögel überall zu sehen sind, sollte es ein Leichtes sein, sie zu filmen.
Leider nicht, denn das Herausfordernde beim Filmen von Krähen ist: Sie beobachten uns zwar seit Urzeiten, aber sie mögen es gar nicht, wenn man sie beobachtet. Journalistinnen und Journalisten schätzen es übrigens in der Regel auch nicht besonders, wenn man ihnen über die Schulter schaut.