Anna-Sofia Schaller
Es ist ein frostiger Wintertag, als ich mich mit der Politikerin Merja Mäkisalo-Ropponen im Kaffee «Kuppila» des zugeschneiten Parlaments im Herzen Helsinkis treffe. Das Kaffee ist beinahe leer, viele der insgesamt 200 Parlamentarierinnen und Parlamentarier tagen in Sitzungssälen: «Aktuell laufen die Budgetberechnungen für das neue Jahr auf Hochtouren», verrät die 64-Jährige.
Der Endjahresstress ist der Politikerin allerdings nicht anzumerken – dies lässt sich wohl zumindest teilweise auf die Anwesenheit ihres Assistenten Ville Kurtti (26) zurückführen: Der nebenbei politische Geschichte studierende Kurtti ist verantwortlich dafür, dass Mäkisalo-Ropponens Arbeitsalltag reibungslos verläuft. So unterstützt er die Politikerin bei der Bewältigung ihrer E-Mail-Flut, verwaltet ihren Terminkalender und feilt an ihrer Präsenz auf Social Media mit. «Manchmal mache ich mir Sorgen, wie ich nach Ende meiner Amtszeit ohne Ville zurechtkomme», sagt Mäkisalo-Ropponen lachend.
Sie war eine Listenfüllerin
Sogleich frage ich die Parlamentarierin zu ihrem politischen Werdegang aus – ob sie schon immer auf ein politisches Amt abgezielt hat? «Ganz und gar nicht – mein Weg ins Parlament hat sich ganz zufällig ergeben. Mein Machtmotiv ist immer sehr schwach gewesen.»
Vor ihrer Zeit als Parlamentarierin arbeitete Mäkisalo-Ropponen als Krankenpflegerin, Stationsleiterin und Pflegefachdozentin. «Ich identifiziere mich nach wie vor als Krankenpflegerin.» Zudem promovierte die gebürtige Ostfinnin in Gesundheitswissenschaften und war auch als Dozentin und Forscherin tätig. «Irgendwann hat mich jemand darauf aufmerksam gemacht, dass ich mich wie eine Sozialdemokratin anhöre. Daraufhin habe ich das Parteiprogramm der sozialdemokratischen Partei genauer in Augenschein genommen», erinnert sich Mäkisalo-Ropponen an die Anfänge ihrer politischen Laufbahn.
Als Parlamentarierin kandidierte sie, um die Liste der finnischen Sozialdemokraten zu vervollständigen. Für eine grössere Wahlkampagne blieb ihr allerdings keine Zeit. Mit einer Wahl rechnete sie darum nicht einmal im Traum. Somit war sie wie vom Blitz getroffen, als sie während einer Autofahrt von der ostfinnischen Tageszeitung «Karjalainen» kontaktiert wurde: Begeistert wurde der frischgewählten Parlamentarierin zum Wahlerfolg gratuliert. «Vor lauter Schreck bin ich fast in den Strassengraben gefahren.»
60 Arbeitsverträge auflösen
Am Anfang sass der Schock tief – zumal Mäkisalo-Ropponens Terminkalender für das nächste Jahr schon komplett ausgebucht war: Damals arbeitete sie als freischaffender Teamcoach und als Ausbilderin an verschiedenen Arbeitsplätzen. «Auf einen Schlag musste ich 60 Arbeitsverträge auflösen.» So begannen zwölf intensive Jahre im «Eduskuntatalo» – so wird das Parlamentsgebäude in Helsinki genannt. Insbesondere die Rechte von Menschen mit einer Behinderung oder Alzheimererkrankungen gelten als Mäkisalo-Ropponens Herzensangelegenheit. «Meine drei zentralsten Werte sind Gleichstellung, Gerechtigkeit und Gemeinschaftlichkeit. Von Gemeinschaftlichkeit profitieren alle: 1 + 1 ist 3.»
Als eine Hauptaufgabe der Politik sieht Mäkisalo-Ropponen die Gewährleistung einer intakten Zukunft für nachfolgende Generationen. So hat sie sich auch in der parlamentarischen «Zukunftskommission» engagiert: In der Denkfabrik werden verschiedene Zukunftsszenarien analysiert und Pläne erarbeitet. «Der Vorteil einer separaten Zukunftskommission ist, dass dadurch langfristigere Planung ermöglicht wird. Diese reicht über die relativ kurze Wahlperiode der Politikerinnen und Politiker hinaus», führt Mäkisalo-Ropponen aus.
In ihrer persönlichen Zukunft wird sich im kommenden Frühling eine Wende abzeichnen, zumal sich die Parlamentarierin nach drei Amtszeiten nicht mehr zur Wiederwahl stellen wird. In ihrer Pension möchte Mäkisalo-Ropponen mehr Zeit mit ihrer Familie verbringen. Ihre 14 Enkelkinder hätten sich bereits daran gewöhnt, dass für ein Treffen mit der Grossmutter jeweils ein Termin gebucht werden muss. Allerdings wird die Parlamentarierin die Politik nicht ganz hinter sich lassen, sondern in der Lokalpolitik aktiv bleiben und ehrenamtlichen Beschäftigungen nachgehen. «Politik ist für mich ein Lebensgefühl.»