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Stadt Zürich
20.04.2022
01.07.2022 09:26 Uhr

Vor dem Abbruch noch ein Kunstfinale

Bild: Ob feine Raspel, schwarze Asche oder rote Splitter: Vom Sturm zerstörte Bäume und Zäune boten Brigit Spillmann einen reichen Fundus an Materialien. Bild Lisa Maire
Die Altstetter Künstlerin Brigit Spillmann nutzt ein abbruchgeweihtes Einfamilienhaus in ihrer Nachbarschaft für eine Ausstellung. «Bsetzt!» heisst ihre zehntägige Bespielung des Hauses mit zahlreichen Bildern, Fotos und Installationen.

Die Zwischennutzung des Hauses Zwischenbächen 115 ist von längerer Hand und in freundlicher Kooperation mit den Hausbesitzern vorbereitet. Kaum sind diese ausgezogen, kann Brigit Spillmann die Räume mit ihren Kunstwerken besetzen. Und kaum ist Ende April Finissage gefeiert, fahren die Abrissbagger auf. Anstelle der Villa entsteht dann ein Mehrfamilienhaus. «Das geht jetzt alles schnell, Schlag auf Schlag», erklärt die Künstlerin bei einem Rundgang durch ihr Atelier am Distelweg. Der Blick der Besucherin fällt auf zahlreiche sorgfältig gruppierte, grössere und kleinere Bilderstapel, Leinwände, Holzplatten, Kartonmappen, Fotodrucke, Holzskulptürchen. Schnell ist klar: Hier wird eine sehr reichhaltige Kunstschau vorbereitet.

Besetzte Räume, besetzte Künstlerin

«Bsetzt!» umfasse Arbeiten aus den letzten vier Jahren, sagt Spillmann. So lange konnte sie, vor allem auch pandemiebedingt, ihr Schaffen nicht mehr öffentlich zeigen. Umso mehr freut sie sich jetzt auf die Gelegenheit, das benachbarte Einfamilienhaus als grosszügige Galerie nutzen zu können. Zu besetzen mit all diesen Themen und Ideen, die sie selbst in den letzten Jahren stark besetzt haben.

Denn «Bsetzt» – das meint nicht nur einen Raumstatus. Spillmann meint damit auch ihren eigenen Zustand, in den sie falle, wenn sie herausfordernden Phänomenen in Umwelt und Gesellschaft nachsinne, sie untersuche, verarbeite. Die Auswirkungen des letztjährigen Sommersturms und der Corona-Pandemie gehören ebenso dazu wie die Problematik der Klimaveränderungen, die sich ihr bei Reisen in die Arktis und nach Indien besonders eindringlich offenbarten. Das Thema Frau ebenso wie das Thema Leben und Tod.

Spillmann, ausgebildete Werklehrerin und bis zur Pensionierung lange Jahre als Dozentin an der Fachhochschule Nordwestschweiz tätig, kann für ihre Arbeiten auf einen grossen Schatz an Erfahrungen in künstlerisch-handwerklichen Techniken und im Umgang mit vielfältigsten Materialien zurückgreifen. Fasziniert steht die Atelierbesucherin zum Beispiel vor den Collagen und Kartondrucken, in die Spillmann die Biografie ihrer unlängst verstorbenen Mutter eingebettet hat. Da sind auch diese feinen, bezaubernden Fotolithografien: Drucke von aufwendig mit Farbe, Zeichnungen oder auch Glasperlen überarbeiteten Handyfotos aus der Arktis.

Nicht zu vergessen natürlich die Bilder, für welche die experimentierfreudige Künstlerin Überreste einer vom Sturm gefällten, alten Linde nutzte – zum Beispiel in Form von Farbaufträgen, die sie aus Holzraspeln oder Holzasche herstellte. Die von Naturgewalten zerstörten Bäume im Garten des Abrisshauses – im Werk von Brigit Spillmann leben sie weiter.

«Bsetzt!», Haus Aebischer, Zwischenbächen 115, 8048 Altstetten. Vernissage: Do, 21. April, 17–20 Uhr, Finissage: Sa, 30. April, 17–20 Uhr. Offen: Do/Fr/Sa, 14–20 Uhr, So 11–16 Uhr.

Lisa Maire